Starnberg Ergometer-Meisterschaften
Januar 2003

 

 

Tagebuch von einem langen Tag auf der deutschen Ergo-Meisterschaft

4.00 Uhr: Der Wecker klingelt... Was habe ich mir da wieder eingebrockt? Am liebsten würde ich mich umdrehen und weiterschlafen. Als Ruderer muss man wohl Frühaufsteher sein...

4.45 Uhr: Bobo steht wie immer gut gelaunt mit dem Clubbus vor der Haustür, um mich in die Stadt mitzunehmen.

4.59 Uhr: Alle da; pünktliche Abfahrt.

5.15 Uhr: Wir sind auf der Autobahn. Bobo will Gas geben, der Bus nicht. Wohl irgendwas mit dem Turbolader. Bei Vollgas fahren wir mit 100 km/h Richtung Starnberg.

5.45 Uhr: Das Schlafdefizit macht sich bemerkbar.

8.00 Uhr: Zwei Stunden vor dem Rennen: Noch schnell etwas essen, damit der Magen noch genug Zeit  zum Verdauen hat.

8.15 Uhr: Es ist wie immer: Wir sind wieder mal viel zu früh da, fast die Ersten. (Dafür den besten Parkplatz ergattert)

8.20 Uhr: Wir betreten die sehr schöne Dreifachturnhalle. In zwei Reihen stehen fein säuberlich 30 neue Ergos. Überall werden noch fleißig Kabel verlegt, Boxen aufgestellt und Beamer montiert.

9.30 Uhr: Eine halbe Stunde vor dem Rennen: Wiegezeit. Ich habe ein Problem. Ein ungewöhnliches Problem. Nein, ich bin nicht zu schwer, sonder zu leicht. Bei einem Maximalgewicht von 70 Kilo bringe ich gerade 63 Kilo auf die Waage. Da vor allem beim Ergo das Gewicht eine wichtige Rolle spielt, ist das ein kleiner Nachteil.

9.35 Uhr: Noch 25 Minuten: Zum Aufwärmen fahre ich mich 15 Minuten auf dem Ergo warm.

9.45 Uhr: Die Halle füllt sich schnell mit Athleten und Zuschauern.

9.55 Uhr: Noch 5 Minuten: Noch ein wenig lockeres Dehnen. Die Hände werden in Erwartung der Anstrengung feucht und das Herz beginnt schneller zu schlagen.

9.58 Uhr: Der Sprecher verliest die Bahneinteilung. Auf den Ergos 1-7 sitzen schwere Junior B, auf 8-21 leichte Junior A. Beide Klassen werden gemeinsam gestartet, jedoch getrennt gewertet. Aus Schweinfurt tritt  Mathias Preißler im Rennen JM B an, ich starte im Rennen JM A LG.

9.59 Uhr: Ich sitze auf meinem Ergo. Auf den Fernsehern, die vor jedem Ergo montiert waren, können die Teilnehmer jederzeit ihre Platzierung und ihren Abstand zu den Anderen ablesen. Weiterhin sind in der Halle mehrere Beamer aufgestellt, um die Zuschauer über den Stand des Rennes informieren.

10.00 Uhr: Auf dem Monitor läuft der Countdown:5, 4, 3, 2, 1, ROW! Einige konnten es wohl nicht erwarten - Fehlstart.

10.01 Uhr: 5, 4, 3, 2, 1, Row!       

10.02 Uhr: Nach den harten Startschlägen versuche ich schnell auf meinen angepeilten Schnitt zu kommen.      

10.10 Uhr: Auf dem Monitor sehe ich meine Platzierung: 8.Platz Die anderen legten ganz schön vor. „Bleib bei deinem Schnitt“, mahnte mich Ernst, der bei mir das Coaching übernahm. „Die anderen bauen schon noch ab.“

10.15 Uhr: „Smoke on the water“, dröhnte es durch die Lautsprecher: 6.Platz

10.18 Uhr: Mathias hat mittlerweile schon viel „Wasser“ zwischen sich und seine Konkurrenten gelegt und führte das Feld mit zwei Junioren A souverän an.

10.21 Uhr: „Wann wird´s mal wieder richtig Sommer?“ Wenn ich nicht seit 20 Minuten auf dem Ergo gesessen wäre, hätte ich wohl mitgesungen.

10.25 Uhr: 4.Platz

10.28 Uhr: Ein Brandenburger auf dem Ergo neben mir liegt mit einem Vorsprung von etwa 100 m auf Platz 3. Es entbrennt ein heftiger Endspurt.

10.30 Uhr: Jetzt werden noch einmal alle Reserven mobilisiert. Alle Muskelgruppen schreien nach Sauerstoff, der Puls rast. Ich zähle jeden Schlag.

10.31 Uhr: Geschafft! Mathias ruderte 8212 m und gewinnt mit riesigem Abstand. Ich erreiche 7933 m und lande – obwohl jüngster Starter in dieser Altersklasse – auf einem guten 4.Platz

10.32 Uhr: Mit etwas wackligen Knien steige ich vom Ergo. Die Hormone, die nach so einer körperlichen Belastung ausgeschüttet werden, versetzen mich in einen Zustand der Euphorie.

11.15 Uhr: Mathias steigt aufs Siegerpodest und bekommt die Goldmedaille umgehängt. Gratulation! (Die Digital-Camera versagte just in diesem Moment den Dienst.)

11.30 Uhr: Auch die restlichen Aktiven, die im Rennen JM B LG an den Start gingen, haben die 30 Minuten hinter sich – mit respektablen Ergebnissen. Unter 24 Startern erreichte Sebastian Dittmar den 5.  (7536 m) und Ulrich Müller den 6. Platz (7453 m). Peter Wenzel musste leider abbrechen.

11.30 – 15.30: In der Wartezeit zum nächsten Rennen mit Schweinfurter Beteiligung konnte man die tolle Stimmung in der Halle genießen. Laute Musik und Zuschauer, die in den letzten Minuten die Ruderer mit Standing-Ovations anfeuerten, motivierten viele Athleten zu Bestleistungen.

15.30 Uhr: Jetzt sitze ich hinter Ernst und motiviere ihn, alles zu geben und er gab alles. Mit 8081 m belegte der Routinier wie im Vorjahr in der Altersklasse AK 55 den dritten Platz.

17.00 Uhr: Siegerehrung des Rennens AK 55. Das Treppchen ist fest in Schweinfurter Hand, denn Dr. Karl-Heinz Gerhardt wurde mit 8304 m noch vor Ernst Zweiter.

17.30 Uhr: Die Halle leert sich, wir sind immer noch da.

18.30 Uhr: Endlich sind auch die letzten Rennen abgeschlossen und wir können einen der neuen Ergometer abbauen, den der Club zu einem günstigen Preis erstand. Dabei ging es fast zu wie um einem Wühlkorb im Winterschlussverkauf („Hey, das ist meine Rollschiene, gib her!!!“)

18.45 Uhr:  Endlich geht´s heimwärts!

19.15 Uhr: Wir sind auf der Autobahn. Bobo will Gas geben, der Bus nicht. Bei Vollgas erreichen wir Spitzengeschwindigkeiten von 100 Km/h (bergab)

21.00 Uhr: Ein entnervter Bobo gibt auf. „Ernst fahr du weiter, ich hab keine Lust mehr, den LKW`s hinterher zu schleichen.“

21.01 Uhr: Ernst setzt sich hinters Steuer und plötzlich scheint der Motor wieder richtig zu arbeiten. Kommentar: „Ja, Ja... ich habe halt Gefühl für solche Sachen.“

22.00 Uhr: Endlich bin ich wieder daheim.

Abschließend bleibt zu sagen, dass der Begriff „Deutsche Meisterschaften“ etwas zu hoch gegriffen ist. Auch wenn einige Ruderer aus dem hohen Norden nach Starnberg anreisten, kam die große Mehrzahl der Athleten  aus den südlichen Bundesländern. Deshalb hatte diese „Deutsche Meisterschaft“ sicher  nicht das Niveau einer „echten“ deutschen Meisterschaft. Das soll aber die tollen Leistungen der Schweinfurter nicht schmälern.

Trainer Manfred „Bobo“ Neubert:

„Die heutigen Leistungen zeigen deutlich, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.“

Patrick Lunz

 

   
     
   
     
   

 

Nachlese: DM-Langstrecken Ergomeisterschaften in Starnberg 

Das Ruderergometer spielt eine zunehmende Rolle im Wintertraining der Ruderer. Ergometerwettkämpfe werden inzwischen auf nationaler und internationaler Ebene durchgeführt. Dabei ist zu differenzieren zwischen der Normalstrecke über 2000 m und dem Langstreckentest über 30 bzw. 60 Min.

 Die Deutsche Meisterschaft über 2000 m findet immer im Dezember in Berlin statt, hier ist in der Regel auch die Deutsche Ruderelite am Start. Die Weltmeisterschaften werden seit einigen Jahren im Februar in Boston ausgetragen.

 Über die Langstrecke gibt es nur einige wenige Indoor-Wettkämpfe, so z.B. im Dezember über 60 Min. in Hamburg. Die zwei größten Veranstaltungen über 30 Min. fanden in diesem Jahr zeitgleich in Rostock und in Starnberg statt.

 „Von den gezeigten Leistungen hat Starnberg inzwischen zweifelsfrei den Anspruch auf die (inoffizielle) Deutsche Meisterschaft im Langstreckenrudern“ betont Frank Kürzel. Als einer der Hautverantwortlichen der Firma Concept für das Sponsoring der Ruderergometerkämpfe in Deutschland hat er den entsprechend Überblick.

 Für den hohen Stellenwert des Starnberger Ausdauertests spricht auch die Tatsache, dass die Gewinner in fast allen Altersklassen auch die derzeitige Deutsche Rangliste über die 30 Min. anführen.

 Im letzten Jahr fuhr Frank Doberschütz in Starnberg einen phantastischen Weltrekord – er ist inzwischen einer der Leistungsträger im Deutschlandachter. Auch heuer fuhren die beiden Spitzenruderer Christian Riess und Thomas Regler mit 9095 m und 9080 m 30 Min.-Strecken, die auch international hochrangig sind.

 So sehr die Leistungsspitze auch in den Altersklassen herausragt, wird doch das Bild einer Deutschen Meisterschaft getrübt durch das, was der Industriemanager als „Produkttiefe“ bezeichnen würde. Damit sind Teilnehmer gemeint, die zu einer solchen Meisterschaft sicherlich nicht passen.

 Man sieht in Starnberg immer wieder Ruderer, deren haarsträubende Technik daran zweifeln lässt, ob sie überhaupt eine Ruderausbildung genossen haben. Zum anderen sind einzelne Sportler weder von der Ausdauer, noch von der Moral für die 30 Min. Langstrecke konditioniert. Sie beenden typischerweise zwischen der 15. und 20 Min. den Wettkampf.

 Die Schweinfurter Ruderer des RC Franken zeigten in Starnberg fast durchweg gute bis ausgezeichnete Leistungen.

 K.-H. G.

 
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